Es ist so: Das Land, in dem ich geboren wurde, gibt es heute nicht mehr.
Der Geographielehrer holt Landkarten und zählt Bundesländer und Hauptstädte auf. Er fragt Pekka, was die Hauptstadt seines Heimatlandes sei, und Pekka sagt: »Stuttgart.«
Der Geographielehrer sagt: »Sehr lustig.«
Alle lachen, sogar die Traumatisierten.
Der Geographielehrer fragt mich, was die Hauptstadt meines Heimatlandes sei, und ich sage: »Belgrad und Sarajevo und Berlin.«
Vielleicht weinte Mutter, weil sie mich zum ersten Mal in einem öffentlichen Kontext beobachten konnte. Nicht zu Hause. Nicht unter Jugos. Vielleicht weinte sie, weil ich mir etwas zutraute und etwas konnte und dafür Applaus bekam. Weil ich das erste Mal einen Anzug trug. Vielleicht aber auch einfach, weil sie traurig war, dass all das überhaupt eine Bedeutung und Tragweite hatte in unserem Leben, in dem so wenig selbstverständlich war.
Eine Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde Leipzig klärte mich direkt darüber auf, dass es für freiberufliche Künstler, allen voran Schriftsteller und Clowns, nahezu unmöglich sei, kontinuierlich und nachhaltig für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Ich brachte ihr zum Dank für die Info beim nächsten Treffen eine Kurzgeschichte mit, für deren Abdruck mir eine Literaturzeitschrift fünfundvierzig Euro gezahlt hatte.
Sie sagte, sie dürfe keine Geschenke annehmen.
Ich fragte: »Wollen Sie die dann vielleicht kaufen?«
»Verträge.« Sagte sie. »Besorgen Sie mir Verträge. Das Gesetz braucht Belege dafür, dass Ihnen jemand Geld geben möchte für das, was Sie tun. Je mehr Geld, desto besser.«
Ein paar Monate später hatte ich den Vertrag für meinen ersten Roman geschlossen. Ich rief die Sachbearbeiterin an, las ihr die vereinbarte Summe vor. Sie lachte.
Ich sagte: »Das ist jetzt aber nicht nett.«
Sie sagte: »Oder ist das für ein Monat?«
»Falls alle das Buch kaufen, bin ich reich!«, sagte ich.
»Das Einwanderungsgesetz«, sagte sie, »kennt kein falls.« Und nach einer Pause: »Ach, bringen Sie das mal vorbei.«
Das »Ach« war es! Ein paar Wochen später durfte ich mein Visum abholen.
还能和外管局工作人员这么开玩笑啊!虽然读起来很苦就是了,一些共同经历…
Großmutter hatte gestern Geburtstag, ich habe es vergessen. Ich rufe an, um wenigstens nachträglich zu gratulieren. Sie begrüßt mich mit dem Namen meines Vaters. Ich soll ihr helfen, ihre Brille zu finden.
Ich sage: »Sie steckt auf deinem Kopf.« Ein Scherz, Großmutter aber lacht verlegen, denn die Brille ist tatsächlich auf ihrem Kopf.
Der Gipfel vom Vijarac ragt in den Wolkenhimmel, und dort irgendwo lodern Feuer. Viel, viele Feuer. Flackern und sterben. Blühen wieder auf. Züngeln, ziehen Schleifen. Verlöschen. Blitzen an mehreren Stellen gleichzeitig auf. Es ist, als male jemand mit Flammen auf der Leinwand der Nacht. Jemand oder etwas.