Im Gewühl der Straßen habe ich in die Spiegel der Vitrinen, Straßenbahn- und Häuserfenster, Springbrunnen und Pfützen geschaut, ungläubig, ob ich nicht doch durchsichtig bin.
这一段是在 Straßenbahn 上读的,随后的路程都恍恍惚惚的。
#HertaMüller #Atemschaukel #读书
Doch dann kam der Schnee, jeder Schritt zwischen Haus, Schuppen und Erdloch wurde sichtbar. Ihre Mutter konnte ihr nicht mehr heimlich das Essen bringen. Man konnte im ganzen Garten die Fußstapfen lesen. Der Schnee denunzierte, sie musste freiwillig aus dem Versteck, freiwillig gezwungen vom Schnee. Das werde ich dem Schnee nie verzeihen
[…] die Loni glassirrend zu pfeifen begann, lauter als der ganze Krach beim Schaufeln:
Abendstille überall
Nur im Tal die Nachtigall
我哭了我好爱唱这首歌
Singt ihre Weise klagend und leise durch das Tal
Sing und sing Frau Nachtigall!
Die Mutter bleibt stehen, streicht mir die Haare aus der Stirn und nimmt mir das Kuscheltier weg. Sie legt es auf den Verandatisch, am Lacktäschchen rasselt die Kette, und ich sage:
Gib mir den Mopi, sonst bin ich allein.
Sie lacht: Du hast doch mich.
Ich sage: Du kannst doch sterben, der Mopi nicht.
Man hat Läuse auf dem Kopf, in den Augenbrauen, im Nacken, in den Achseln, im Schamhaar. Man hat Wanzen im Bettgestell. Man hat Hunger. Man sagt aber nicht: Ich habe Läuse und Wanzen und Hunger. Man sagt: Ich habe Heimweh. Als ob man es bräuchte.
Manche sagen und singen und schweigen und gehen und sitzen und schlafen ihr Heimweh, so lang und so umsonst. Manche sagen, das Heimweh verliert mit der Zeit seinen Inhalt, wird schwelend und erst recht verzehrend, weil es mit dem konkreten Zuhause nichts mehr zu tun hat.
Wenn er nicht Tur Prikulitsch wäre, nur seine Hände hätte, würde ich ihm aus dem Fenster zurufen: Geh doch auf die andere Straßenseite, unter der Markise wirst du nicht nass. Wenn er den Kopf heben würde, würde er vielleicht sagen: Wieso duzen Sie mich. Und ich würde sagen: Ich habe Sie nicht im Gesicht gesehen, ich duze nur Ihre Hände.
Oder dass wir so lange hierbleiben müssen, bis wir nicht mehr weg wollen, weil wir überzeugt sind, dass niemand mehr zu Hause auf uns wartet, weil dort längst andere wohnen, weil alle vertrieben sind, wer weiß wohin, und selber kein Zuhause haben. Eine andere Variante sagt, dass wir zuletzt hierbleiben wollen, weil wir nichts mehr anfangen können mit dem Zuhause und das Zuhause nichts mehr mit uns.