Im Gewühl der Straßen habe ich in die Spiegel der Vitrinen, Straßenbahn- und Häuserfenster, Springbrunnen und Pfützen geschaut, ungläubig, ob ich nicht doch durchsichtig bin.
这一段是在 Straßenbahn 上读的,随后的路程都恍恍惚惚的。
#HertaMüller #Atemschaukel #读书
Doch dann kam der Schnee, jeder Schritt zwischen Haus, Schuppen und Erdloch wurde sichtbar. Ihre Mutter konnte ihr nicht mehr heimlich das Essen bringen. Man konnte im ganzen Garten die Fußstapfen lesen. Der Schnee denunzierte, sie musste freiwillig aus dem Versteck, freiwillig gezwungen vom Schnee. Das werde ich dem Schnee nie verzeihen
[…] hat aus dem Radio eine liebesdurstige, deutsche Frauenstimme gesagt:
Jede deutsche Frau schenkt dem Führer ein Kind.
Meine Fini-Tante hat meine Mutter gefragt: Wie machen wir das, kommt jetzt der Führer jeden Abend zu einer von uns nach Siebenbürgen, oder fahren wir alle der Reihe nach zu ihm ins Reich.
Ich weine fast nie. Ich bin nicht stärker als die mit den nassen Augen, sondern schwächer. Sie trauen sich.
Man hat Läuse auf dem Kopf, in den Augenbrauen, im Nacken, in den Achseln, im Schamhaar. Man hat Wanzen im Bettgestell. Man hat Hunger. Man sagt aber nicht: Ich habe Läuse und Wanzen und Hunger. Man sagt: Ich habe Heimweh. Als ob man es bräuchte.
Manche sagen und singen und schweigen und gehen und sitzen und schlafen ihr Heimweh, so lang und so umsonst. Manche sagen, das Heimweh verliert mit der Zeit seinen Inhalt, wird schwelend und erst recht verzehrend, weil es mit dem konkreten Zuhause nichts mehr zu tun hat.
Wenn er nicht Tur Prikulitsch wäre, nur seine Hände hätte, würde ich ihm aus dem Fenster zurufen: Geh doch auf die andere Straßenseite, unter der Markise wirst du nicht nass. Wenn er den Kopf heben würde, würde er vielleicht sagen: Wieso duzen Sie mich. Und ich würde sagen: Ich habe Sie nicht im Gesicht gesehen, ich duze nur Ihre Hände.
Oder dass wir so lange hierbleiben müssen, bis wir nicht mehr weg wollen, weil wir überzeugt sind, dass niemand mehr zu Hause auf uns wartet, weil dort längst andere wohnen, weil alle vertrieben sind, wer weiß wohin, und selber kein Zuhause haben. Eine andere Variante sagt, dass wir zuletzt hierbleiben wollen, weil wir nichts mehr anfangen können mit dem Zuhause und das Zuhause nichts mehr mit uns.