Es ist so: Das Land, in dem ich geboren wurde, gibt es heute nicht mehr.
Also doch, Herkunft, wie immer, dachte ich und legte los: Komplexe Frage! Zuerst müsse geklärt werden, worauf das Woher ziele. Auf die geografische Lage des Hügels, auf dem der Kreißsaal sich befand? Auf die Landesgrenzen des Staates zum Zeitpunkt der letzten Wehe? Provenienz der Eltern? Gene, Ahnen, Dialekt? Wie man es dreht, Herkunft bleibt doch ein Konstrukt! Eine Art Kostüm, das man ewig tragen soll, nachdem es einem übergestülpt worden ist. Als solches ein Fluch!
»Erinnerst du dich an ihren Einmarsch, Oma?«
»War eher ein Einschleich. Die kamen geduckt. Von allen Seiten.«
»Hattest du Angst?«
»Alle hatten Angst. Die Deutschen hatten Angst, deswegen schlichen sie so herum. Und wir hatten Angst, weil die so herumschlichen, man kannte die Geschichten. Alle hatten Angst voreinander, und das hat mir Angst gemacht. «
德军入侵 Staniševac 的时候,里面都是平民,没人有枪,所以他们又把武器放下了。他们渴了,平民就主动给他们水喝。他们需要地方住下,于是也睡在了平民的家里。有一个军官住在了作者的祖母家,向祖母家讨牛奶喝。他想拿东西换,但是身上也没什么有用的东西。几天之后他学会了用当地语言说晚安,要牛奶。这位军官直到今天都会时不时地去拜访作者的祖母。
——好像经常听说这种敌对双方和谐相处的故事,比如今天就有看到乌克兰平民给俄罗斯士兵水喝,让他给妈妈打电话。在#战争中没有女性 里也有护士给对方士兵疗伤的情节。
Meine Familie lebt über die ganze Welt verstreut. Wir sind mit Jugoslawien auseinandergebrochen und haben uns nicht mehr zusammensetzen können. Was ich über Herkunft erzählen möchte, hat auch zu tun mit dieser Disparatheit, die über Jahre mitbestimmt hat, wo ich bin: so gut wie niemals dort, wo Familie ist.
[…]
Herkunft sind die süß-bitteren Zufälle, die uns hierhin, dorthin getragen haben. Sie ist Zugehörigkeit, zu der man nichts beigesteuert hat.
[…]
Herkunft ist Krieg.
Mutter und ich verbrachten Stunden in der Telefonzelle am Bahnhof. Wenn ein anderer telefonieren wollte, gingen wir raus, Mutter rauchte eine. Wir versuchten, meist vergeblich, irgendwen - Mann, Vater, Bruder, Großmutter - zu erreichen. Wochenlang kamen wir nicht durch, wochenlang wussten wir nicht, ob derjenige, den wir sprechen wollten, noch sprechen konnte.
Im Neonlicht auf dem Flur begegneten sie einander. Er konnte sich an die junge Frau erinnern, die Polenta aus der Küche bringt, und sie an den jungen Mann und sein Sakko über der Stuhllehne. Das reicht ja manchmal für den Anfang: die gemeinsame Erinnerung an einen Augenblick, der zunächst keine Bedeutung zu haben scheint.
Halbblut 这一节开头:
Der Weltrekordhalter im Liegestütz (29.449) innerhalb von vierundzwanzig Stunden hieß 1986 Miodrag Stojanović Gidra und war Jugoslawe.
然后就讲了南斯拉夫另外一些令人骄傲的事,又讲了一些变迁,号召献血之类的事情,各种各样的,最后一句又突然:
2001 wurde der Liegestütz-Weltrekordhalter Miodrag Stojanović Gidra in seinem Wagen erschossen. Eine Kugel traf ihn in den Hals, fünf in die Brust.
…这种前后呼应真的好震撼。
这几个地方好好笑我在火车上笑到变形,对面的人也看着我笑,我就念给他听,然后我们一起笑,他说回去也找这本书看
“Im Emmertsgrund reichten einander die Hand: Bosnier und Türken, Griechen und Italiener, Russlanddeutsche, Polendeutsche, Deutschlands Deutsche. […] Die Supermarktschlange sprach sieben Sprachen. […] Auf dem Parkplatz lernten wir voneinander falsches Deutsch.”
”In einer lauen Sommernacht in meinem zweiten deutschen Jahr habe ich dort mein Herz verloren an ein Mädchen mit rotem Haar, das mir versucht hat beizubringen, das Verb stehe in deutschen Relativsätzen immer am Satzende, was ich schon längst wusste, aber sie erklärte so schön.”
”Von unserem einzigen Holländer, dem Michel, der mal bei einer Polizeikontrolle auf die Frage »Geboren?« mit »Ja« geantwortet hatte.”
Der Geographielehrer holt Landkarten und zählt Bundesländer und Hauptstädte auf. Er fragt Pekka, was die Hauptstadt seines Heimatlandes sei, und Pekka sagt: »Stuttgart.«
Der Geographielehrer sagt: »Sehr lustig.«
Alle lachen, sogar die Traumatisierten.
Der Geographielehrer fragt mich, was die Hauptstadt meines Heimatlandes sei, und ich sage: »Belgrad und Sarajevo und Berlin.«
Vielleicht weinte Mutter, weil sie mich zum ersten Mal in einem öffentlichen Kontext beobachten konnte. Nicht zu Hause. Nicht unter Jugos. Vielleicht weinte sie, weil ich mir etwas zutraute und etwas konnte und dafür Applaus bekam. Weil ich das erste Mal einen Anzug trug. Vielleicht aber auch einfach, weil sie traurig war, dass all das überhaupt eine Bedeutung und Tragweite hatte in unserem Leben, in dem so wenig selbstverständlich war.
Eine Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde Leipzig klärte mich direkt darüber auf, dass es für freiberufliche Künstler, allen voran Schriftsteller und Clowns, nahezu unmöglich sei, kontinuierlich und nachhaltig für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Ich brachte ihr zum Dank für die Info beim nächsten Treffen eine Kurzgeschichte mit, für deren Abdruck mir eine Literaturzeitschrift fünfundvierzig Euro gezahlt hatte.
Sie sagte, sie dürfe keine Geschenke annehmen.
Ich fragte: »Wollen Sie die dann vielleicht kaufen?«
»Verträge.« Sagte sie. »Besorgen Sie mir Verträge. Das Gesetz braucht Belege dafür, dass Ihnen jemand Geld geben möchte für das, was Sie tun. Je mehr Geld, desto besser.«
Ein paar Monate später hatte ich den Vertrag für meinen ersten Roman geschlossen. Ich rief die Sachbearbeiterin an, las ihr die vereinbarte Summe vor. Sie lachte.
Ich sagte: »Das ist jetzt aber nicht nett.«
Sie sagte: »Oder ist das für ein Monat?«
»Falls alle das Buch kaufen, bin ich reich!«, sagte ich.
»Das Einwanderungsgesetz«, sagte sie, »kennt kein falls.« Und nach einer Pause: »Ach, bringen Sie das mal vorbei.«
Das »Ach« war es! Ein paar Wochen später durfte ich mein Visum abholen.
还能和外管局工作人员这么开玩笑啊!虽然读起来很苦就是了,一些共同经历…
Großmutter hatte gestern Geburtstag, ich habe es vergessen. Ich rufe an, um wenigstens nachträglich zu gratulieren. Sie begrüßt mich mit dem Namen meines Vaters. Ich soll ihr helfen, ihre Brille zu finden.
Ich sage: »Sie steckt auf deinem Kopf.« Ein Scherz, Großmutter aber lacht verlegen, denn die Brille ist tatsächlich auf ihrem Kopf.
Der Gipfel vom Vijarac ragt in den Wolkenhimmel, und dort irgendwo lodern Feuer. Viel, viele Feuer. Flackern und sterben. Blühen wieder auf. Züngeln, ziehen Schleifen. Verlöschen. Blitzen an mehreren Stellen gleichzeitig auf. Es ist, als male jemand mit Flammen auf der Leinwand der Nacht. Jemand oder etwas.
突然在书里读到 Vokuhila… 惊觉我现在莫非就是个 Vokuhila